In den letzten Wochen und den nächsten Wochen, habe ich und werde ich sehr interessante Persönlichkeiten zum Thema, wie könnten Hochschulen zukünftig aufgestellt sein, interviewen. Erste Eindrücke der Interviews gehen in ihrer Vielfalt mit dem Verlauf der Zeit gerne verloren. Um diesem entgegen zu wirken, versuche ich diese über meinen persönlichen Blog zu bewahren.
Erinnerung: Raum für Begegnungen
Wir entschieden uns an diesem kalten Tag (Dezember 2017) mit der U-Bahn zu fahren. Glücklicherweise war der Treffpunkt, der Gebäudekomplex von edX, nah am MIT gelegen. So fuhren wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, U-Bahn und Bus, trotz eisigen Wetters von mehreren Minusgraden, bis zum MIT. Durch eine Campusführung am vorherigen Tag, wussten wir, dass ein Großteil des Gebäudekomplexes über den riesigen Campus des MIT miteinander verbunden war. Um der Kälte zu entkommen, suchten wir den Weg durch die warmen fast labyrinthartigen Gänge des MIT, um zu dem Ausgang zu gelangen, der dem edX Gebäude am nächsten lag.
Während wir auf Johannes Heinlein beim Empfang warteten, kamen immer wieder Mitarbeiter aus den verschiedenen Büros, um im Empfangsbereich die Kaffeemaschine zu bedienen. Uns wurde ebenfalls Kaffee angeboten und ich beobachtete beim Trinken die zufälligen Begegnungen an der Kaffeemaschine an dieser ungewöhnlichen Stelle. Eine Sitzlandschaft lud die Menschen, die länger in einer Diskussion verweilten ein, auf ihr Platz zu nehmen. Ich war beeindruckt, welche Wirkung guter Kaffee und ein paar einladende Sessel auf die Gesprächskultur am Empfang haben konnten. Jedes neue Gesicht, wurde von dieser warmen, geschäftigen und dennoch einladenden Atmosphäre empfangen.
Zu edX:
EdX ist eine Plattform für MOOCs (Massive Open Online Courses) auf der weltweit Kurse aus den verschiedensten Themenbereichen angeboten werden. Die Mission von edx ist:
- Kostenlose Inhalte für Lernende (weltweit) bereit zu stellen
- Hochschulen zu verändern
- Durch Forschung Lernergebnisse verbessern
EdX ist eine Kooperation von Harvard und dem MIT. Ihr Ziel ist es als unabhängige und das Gemeinwohl unterstützende Stiftung die Diskussion zur digitalen Transformation in der Bildung positiv mitzugestalten. EdX agiert unabhängig, ist aber einem Aufsichtsrat (bestehend aus MIT und Harvard) rechenschaftspflichtig. EdX Ziel ist es, verschiedene Reaktionsmöglichkeiten auf Digitalisierungsprozesse und den damit einhergehenden Veränderungen zu sammeln und mit seinen Partnern (Hochschule, Industrie, Politik), zusammen zu evaluieren und dann strategische Lösungen aufzuzeigen.
Johannes Heinlein ist als Vicepresident für strategische Partnerschaften seit Beginn dieses Projekts bei edX tätig. Davor war er in Harvard tätig, wo er für strategische Transformationsprojekte zuständig war. EdX ist eines dieser Projekte. Er ist dementsprechend seit der Gründung, 2012, in dieses Projekt involviert.
Aus dem Interview hat mich am Stärksten beeindruckt:
Bemerkenswert finde ich, dass sich zwei sehr gute Universitäten zu einer Kooperation zusammengeschlossen haben, um der Digitalisierung und ihre Einflüsse auf Hochschulen als der zukünftig stärksten Veränderungsbewegung nachzugehen. EdX weiß/wusste nicht, inwieweit sich Hochschulen im Zuge der Digitalisierung verändern werden, edX wusste nur, dass sie verändert werden. Um diesen Gestaltungsprozess von Vornherein aktiv mit zu gestalten, haben sich diese beiden Eliteuniversitäten zu der Kooperation zusammengeschlossen und bereits mehr als 80 Millionen Dollar in das Projekt investiert. Bemerkenswert finde ich an dieser Stelle, dass gerade diese beiden Universitäten, von einem Wandel am Spätesten betroffen wären. Jährlich nehmen diese nur etwa 5% der Bewerber an und das bei Gesamtstudiengebühren von etwa 80.000 $. Harvard und MIT sind in einer exzellenten Situation, sie könnten abwarten, beobachten und dann erst auf Digitalisierung reagieren. Genau das, so Johannes Heinlein, sei aber die deutsche Herangehensweise. EdX will hingegen nicht aus dem Nachgang reagieren, sondern maßgeblich den Diskussionsprozess zur Digitalisierung mitgestalten und alle Interessierten in diesen Diskussionsprozess einladen.
- Das MIT (Massachusetts Institut of Technology) , gilt als eine der weltweit führenden forschungsintensiven Eliteuniversitäten.
- Die Harvard University ist die älteste Universität der Vereinigten Staaten. Harvard erreicht ebenfalls in internationalen Vergleichen einen Spitzenplatz unter den besten Eliteuniversitäten.
Im weiteren Gesprächsverlauf wurde diese Haltung immer deutlicher. EdX (und damit
Harvard und MIT) macht Ernst! Die Studienkosten in den USA sind immens und verhindern vielen einen Besuch an der Uni. Aus diesem Grund versucht edX nicht nur die Linearität des Lernens über modalisierte und personalisierte Angebote aufzubrechen, sondern schafft es mit Hilfe von MicroMaster Programmen die Kosten der Studierenden fast zu halbieren. So bietet MIT einzelne Kurse bis hin zu ganzen Programmen jeden auf der Welt Interessierten an, diese online zu absolvieren. Wird das Programm erfolgreich abgeschlossen, so kann der Teilnehmende gegen eine kleine Gebühr ein Zertifikat erwerben. Diese Vorgehensweise von diversen MOOC-Plattformen ist mittlerweile weitgehend bekannt. Der Schritt weiter ist, dass die an dem MicroMaster zertifizierten Teilnehmenden, dieses Zertifikat als einen Teil des Studiums bei ihrer Bewerbung am MIT anrechnen lassen können und ihre Campuskosten um die Hälfte reduziert werden können, da diese Studierenden nicht mehr mit den Einführungskursen anfangen brauchen, da sie diese online abgeschlossen haben, sondern schon weiter fortgeschritten in ihrem MIT Studium sind. Ihre Anwesenheitspflicht auf dem Campus wird auf das aktuell Notwendigste reduziert.
Aktuell können auf der edX-Plattform bis zu 50 MicroMaster Programme gefunden werden.
Erinnerung: Verabschiedung
Ich erinnere mich noch, wie wir nach dem Interview innerhalb von 30 Minuten bei HarvardX sein sollten, um von den Mitarbeitern vor Ort einen kleinen Einblick in ihre täglichen Aufgaben und Arbeitsumgebung zu erhalten. An und für sich war die Entfernung zwischen dem MIT Campus und dem Harvard Campus mit dem Auto leicht innerhalb weniger Minuten zu bewerkstelligen. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln jedoch sollte sich die Zeit bis ins Unendliche dienen. (Das verriet uns Google-Map, ein Dienst, der in den USA um ein Vielfaches detaillierter und serviceorientierter arbeitet.) Johannes Heinlein war, wie auch schon vorherige Begegnungen in Bosten, überrascht, dass wir nicht Uber oder Lyft benutzten. Diese Dienste hätten mittlerweile den Stellenwert von öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir bezweifelten allerdings die Anrechenbarkeit dieser Dienste im deutschen Bürokratiewahnsinn.
Noch während wir diskutierten, bestellte uns Johannes Heinlein über seinen Account einen Uberfahrer, der uns Minuten später zum gewünschten Ort brachte. Danke.
Im Nachhinein muss ich über diese Verabschiedung schmunzeln, da in dieser Verabschiedung der im Interview diskutierte kulturelle Unterschied zwischen den USA und Deutschland anhand eines Beispiels praktisch vor Augen führt. Wir als Deutsche möchten erst wissen, was passiert und wie etwas im Zusammenhang steht.