Was ist dein wichtigstes Anliegen im Transformationsprozess von Hochschulen?

Ziel dieses Blogartikels ist es den explorativen Prozess in unserem Forschungsprojekt zu unterstützen: „Hochschulen der Zukunft – Anforderungen der Digitalisierung an Hochschulen, hochschulstrategische Prozesse und Hochschulpolitik  (HdZ)“ über die von uns definierten Expertinnen und Expertenmeinungen hinaus zu öffnen. Dazu verfolgen wir zwei Ansätze, den der analogen und der digitalen Mitgestaltung, die ich euch im Folgenden vorstellen will.

analoge Mitgestaltung

Zum einem wurden zum mobile learning day an der FernUni in Hagen die Anwesenden gebeten (Bericht einer Teilnehmerin: Silke Westpfahl), die an drei  Pinnwänden aufgeführten verschiedene Aspekte, des Digitalisierungsprozesses an Hochschulen „Widerstände“ , „Transformation“, „Lernformen und Lernorte“ mit ihren Themen zu verbinden. Die Bandbreite an Aspekten des Digitalisierungsprozesses sehr mannigfaltig sind und der Raum in dem die Pinnwänden nur begrenzt war, wurden drei differenzierte Aspekte ausgesucht, mit denen eine große Teilnehmerzahl am mobile learning day erreicht werden sollte. Zudem versuchten wir die Aspekte der Digitalisierung so allgemein, wie möglich zu halten, um die verschiedenen möglichen Impulse der Teilnehmenden aufnehmen zu können, ohne diese vorher in eine bestimmte Richtung zu lenken. Dennoch war uns bewusst, dass ein leeres Blatt mit einem Schlagwort eine Hürde zur Beteiligung sein kann, weswegen einzelne kontroverse Statements aus den bereits geführten Interviews zu einer Beteiligung motivieren könnten. Das Brainstorming wurde als Methode der kreativen Ideenfindung und des Abrufen von Vorwissen gewählt. Mit dieser Art des Brainstormings wird oberflächig eine Tendenz der Interessen der Teilnehmenden wahrgenommen, da auf diese Weise keine Erklärungen oder Hintergründe mitaufgenommen werden können (Wolcott, 1994). Eine Vertiefung der unterschiedlichen aufgeführten Themen versuchen wir nach dem Brainstorming einerseits in den Interviews zu realisieren, dennoch versuchen wir auch den Prozess wieder zu öffnen.

Die Ergebnisse werden am Ende des Blogartikels aufgeführt.

digitale Mitgestaltung

Zum anderen haben wir für Interessierte, die sich über den mobile learning day hinaus an diesem explorativen Prozess beteiligen wollen, ein Padlet umgesetzt. Ein Padlet ist eine digitale Pinnwand, die mit Notizen, Bildern, Videos, Posts, Links, Fotos, etc. individuell oder gemeinschaftlich mittels Drag-and-Drop oder Doppelklick gestaltet werden kann. An diesem Padlet kann jeder auch ohne Anmeldung zu diesem Tool teilnehmen. Die Padlets sind unter folgenden Links zu finden:

  1. Padlet: „Lernformen/Lernorte
  2. Padlet: „Transformation
  3. Padlet: „Widerstände

Ich lade euch gerne zu diesem Brainstorming ein.

In der von Jane Hart (2017) geführten Liste der Top 100 Tools for Education, die auf dem Voting von „learning professionals“ aus 64 Ländern basiert, rangiert Padlet 2017 auf Platz 36. Dies unterstreicht die Beliebtheit des kostenfreien, unkomplizierten Tools und seiner kreativen Einsatzmöglichkeiten.

Ergebnis der analogen Mitgestaltung

Auffällig ist die Beteiligung an den Aspekten. Der Aspekt „Widerstand“ hat mit 23 Beteiligungen das Interesse der Teilnehmenden weitaus mehr getroffen als die Aspekte „Transfer“ mit 18 Beiträgen und den Aspekt „Lernformen/Lernorte“ mit 13 Beiträgen. Wiederholungen von thematischen Beiträgen wurden von den Teilnehmenden versucht zu umgehen, indem sie sich vorher einen Teil der bereits erstellten Beiträge duchlassen und offen artikulierten, dass der Beitrag ja schon an der Pinnwand stehe.

Die Ergebnisse werden in der nachfolgenden Übersicht lediglich dargestellt.

erste Pinnwand:

Lernformen / Lernorte

zweite Pinnwand:

Transfer

dritte Pinnwand:

Widerstände

–       Hochschulen als Anlaufstationen

–       integrierte Lernergebnisse

–       fließende Übergänge in den Alltag

–       keine On/Offline Differenzierung

–       intuitiver technischer Support durch KI

–       Öffnung für Kooperationen (vgl. Weiterbildungssektor)

–       Von Tim O’Reilly Verlag lernen

–       Lernform: kooperativ und gemeinsam

–       Lernort: Mix von Ort/ Zeit (flexibel)

–       Studenten ernst nehmen (Menschenbild)

–       Flexible Anwendung von Zertifikaten

–       Flexible Lernorte / Lernzeiten

–       inhaltliche Aufarbeitung (visuelle Darstellung (UX)

–       Bildung vs. Berufsbezogenheit

–       neue strategische Partnerschaften

–       Studierendenbildung Aufrecht erhalten

–       Was kommt nach dem Abschluss?

–       Lebenslanges Mentoring – Unis haben einen Startvorteil

–       Vermehr Kooperationen mit der Wirtschaft

–       Das Curriculum wird sich grundsätzlich ändern

–       Durchlässige Prozesse

–       Baukastensystem auch fachübergreifend

–       Inhaltliche intuitive visuelle Darstellung der Aufgabe / Angebote

–       Sehr gut gemachter Dauer-MOOC und barcamps

–       Öffnung für Kooperationen

–       Wer macht Weiterbildungsqualifikationen?

–       Die Kooperationsfähigkeit wird sich ändern müssen: mit anderen Hochschulen, mit anderen Unternehmen

–       Kombination / Stärkung von bottom up und top down Struktur

–       Strategie häufig unklar

–       Sie (die Uni) wird ein Unternehmen oder die Kurve bekommen

–       Sie (die Uni)wird konventionelle Strukturen aufgeben müssen; Privatisierung zulassen

 

–       Festhalten am Bewährten

–       Überlastung (cognitive overload)

–       Vorhandene Bürokratie

–       Kompetenzen in digitalen didaktischen-math. Bereich sind selten

–       Change-Prozess

–       Unterschiedliche Kompetenzen der Teilnehmenden

–       Keine Unterstützung bei übergreifenden Themen (nicht mein Thema)

–       Schlechte technische Qualität bei Ausstattung

–       Zeitliche Überlastung des Lehrpersonals

–       Technische Infrastruktur / finanzielle Mittel

–       Noch hoher Klärungsbedarf bzgl. rechtlicher Rahmen (u.a. Datenschutz)

–       Haltung & Menschenbild

–       (In)kompetenzen auf Seiten der Lehrenden

–       Unwilligkeit, mangelnde Affinität zu Medien

–       In den Köpfen der Menschen in Bezug auf „richtiges“ Lernen

–       Dozenten müssen liebgewonnene Methodenkonzepte verlassen

–       Rechtl. Rahmen: Anerkennung von E-Learning Zeiten

–       Lehre wie in der Schule

–       Effektivität ist nicht gleich Qualität (Lehre / Struktur)

–       Nicht alles erheben, was möglich ist (Wirtschaft), sondern sinnvoll

–       Medieneinsatz eher oberflächig

–       Wertschätzung von nicht standartkonformen Lernwegen

–       Umgang mit hoher Selbstverantwortung (ist nicht selbstverständlich)

 

Heraus aus der eigenen Blase?

Aktuell arbeite ich an dem Projekt: „Hochschulen der Zukunft – Anforderungen der Digitalisierung an Hochschulen, hochschulstrategische Prozesse und Hochschulpolitik  (HdZ)„.

In dem Projekt wollen wir, mein Kollege Rüdiger Wild und ich, verschiedene mit der Digitalisierung verbundene Entwicklungen aufgreifen und weiter diskutieren. Wir setzen unsere Fragestellungen bei den Hochschulen an, um entsprechende Folgen von Digitalisierungsprozessen für die Hochschule der Zukunft zu erkunden. Um herauszufinden was von Hochschulen zukünftig erwartet wird und wie der Transformationsprozess von statten gehen kann, suchen wir den kommunikativen Austausch mit Experten und Expertinnen.

Die ersten Gespräche mit den Expertinnen und Experten, sowie Interessierten haben in mir einen Reflektionsprozess, bezüglich unserer Ausgangsbedingungen, ausgelöst, der noch nicht abgeschlossen ist.

Von diesen ersten Gedanken möchte ich in diesem Blogartikel berichten. Gerne seid ihr eingeladen, weitere Gedanken und Impulse mit in diesen Gedankenprozess einzubringen. 

So ist mir durchaus bewusst, dass allein in dieser Ausgangsdefinition „Hochschulen der Zukunft – Anforderungen der Digitalisierung an Hochschulen, hochschulstrategische Prozesse und Hochschulpolitik  (HdZ)“ mehrere diskussionswürdige Ansätze enthalten sind. Gerne greife ich für meinen Blogbeitrag vier Ansätze auf, die ich aktuell als die für mich wichtigsten identifiziere:

  1. Ich frage aus der Perspektive der Selbsterhaltung der Hochschule!

Das heißt, ich bin daran interessiert, dass es Hochschulen auch zukünftig, in welcher Form auch immer, geben wird. Ob das der zukünftige Fall ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. In der Orientierung an Castells Netzwerkgesellschaft, könnte geschlussfolgert werden, dass die Hochschule, wenn sie für die Gesellschaft nicht mehr von Bedeutung ist, umgangen wird (Castells 2002).

Stellen wir uns vor, dass in der Zukunft Hochschulen nicht mehr von Bedeutung wären, müsste ich unter dieser Annahme in dem Projekt nicht von einem anderen Ansatz ausgehen?

  1. Ich wähle die Institution der Hochschule mit ihren kulturellen Codes als Akteur aus.

Nach Castells (2003) könnte eine Hochschule als Netzwerk definiert werden, welches verschiedene Knoten, die ein gemeinsames, partikuläres und funktionales Interesse haben, verbindet. In einem gegenseitigen Austausch legt das Netzwerk fest, wer dazugehört und wie sich die Strukturen des Netzwerkes ausgestalten (Bommes und Tacke 2006). Voraussetzung, dass eine Hochschule in die Definition eines Netzwerks nach Castells fällt, ist, dass mehrere Knoten miteinander verbunden werden. Dabei versteht Castells Netzwerke als ein Gegenmodell zu hierarchisch organisierten Organisationen. Aktuell sind Hochschulen hierarchisch strukturiert. In Netzwerken gewinnt die individuelle Wahl Vorrang vor traditionellen Pfaden (Castells 2001a). „Unsere Gesellschaften sind immer mehr um den bipolaren Gegensatz zwischen dem Netz und dem Ich herum strukturiert“ (Castells 2003).

Müsste ich, wenn Netzwerke im Zentrum des zukünftigen Interesses stehen, meine Betrachtungen bei einzelnen Projekten, die sich innerhalb und außerhalb der Institution Hochschule befinden, starten?

  1. In der Fragestellung wird nachgegangen, wie Hochschulen einzelne Digitalisierungsaspekte aufgreifen und umsetzen können! Die Digitalisierung wirkt dementsprechend in die Richtung der Hochschulen!

Mit der Wirkrichtung einher geht, dass Hochschulen auf Digitalisierung reagieren und weniger agieren. Im extremen Fall folgt der technologische Instrumentalismus in der Bildung. So könnten Bildungsbereiche bspw. lediglich digital aufrüsten und das Möglichste mit Learning Analytics erfassen. Ein Netzwerk, dessen Netzwerkknoten sich im ständigen gegenseitigen Austausch der kulturellen Codes befinden, müsste mit seinen Beiträgen zur weiteren Ausprägung/Entwicklung des Netzwerks beitragen.

Wäre die Umdrehung der Wirkrichtung von Digitalisierung daher nicht folgerichtiger? Wie kann sich Hochschule am Diskurs über Digitalisierungsprozesse in der Gesellschaft beteiligen?

  1. Um der Frage, welchen Einfluss die Digitalisierung auf die Hochschulen hat (Ausgangsfrage) wurden Experten und Expertinnen für ein Interview angefragt.

Dabei stellt sich zugleich die Frage, wer als Experte und Expertin definiert werden kann? Wir identifizierten mehrere Bereiche, mit denen sich ein Experte und eine Expertin unserer Meinung nach auseinandergesetzt, bzw. diese erfahren haben muss. Dazu zählen Erfahrungen in:

  • hierarchischen Organisationen, wie auch Netzwerkorganisationen,
  • in der Zusammenarbeit mit Hochschulen oder aus der Hochschule selbst kommend,
  • öffentliche und über einen längeren Zeitraum andauernde Kommunikationsbeiträge im Digitalisierungsprozessen und
  • internationalen Kontexten.

Da Digitalisierungsprozesse nicht an den Ländergrenzen enden und in einigen Projekten hochschulübergreifend und international zusammengearbeitet wird. Haben wir uns dazu entschlossen, dass etwa die Hälfte der Experten und Expertinnen aus dem internationalen Kontext stammen muss. Ein wichtiger Aspekt lag dabei auf den USA, da von dort aus wesentliche und beeinflussende Entwicklungen ausgingen (etwa 30% der internationalen Experten und Expertinnen).

Wir haben auch darauf geachtet, dass die Zugehörigkeit der Expertinnen und Experten zur Hochschule stark variiert. Konkret ausgedrückt, öffnet sich eine Spanne zwischen zwei Extremen, den Hochschulmitarbeitenden auf der einen Seite und der Expertin bzw. den Experten in der Wirtschaft/Ehrenamt auf der anderen Seite, die über einzelne Projekte in Kontakt mit der Hochschule gelangen.

Meistens ergaben sich aus den von uns vorab formulierten Kriterien Expertinnen und Experten, die im traditionellen Hierarchiesystem von Organisationen weit aufgestiegen sind oder die sich bewusst gegen traditionelle Karrieren entschieden haben. Dadurch eröffnete sich mir ein Konflikt. Die interviewten Experten und Expertinnen verwiesen immer wieder darauf, dass mit der Digitalisierung die Möglichkeit entstanden ist, dass sich jeder an Kommunikationsprozessen beteiligen kann. Durch die Definition des Experten bzw. Expertinnenbegriffs wird der Kreis der Beteiligung von Vornherein eingeschränkt.

Ist die Einschränkung der Interviews auf die von uns definierten Expertinnen und Experten in Bezug zu dem Thema Digitalisierungsprozesse nicht entgegengesetzt? Wie kann die Organisation und Struktur des Forschungsprojektes, welche Digitalisierungsprozesse in ihrer Struktur nicht aufgreift, inhaltliche Digitalisierungscharakteristiken erfassen?

An diesen Punkten möchte ich gerne weiter denken und diese versuchen an der einen oder anderen Stelle durch praktische Umsetzung auszuprobieren. So kann ich mir vorstellen den Prozess des Austausches über Digitalisierungsprozesse im Kontext der Hochschule zu öffnen. In einem ersten Ansatz versuche ich die nächsten Tagen den explorativen Prozess zu öffnen, mit dem die wichtigsten Aspekte und Kategorien gefunden werden können.