Diversität und Komplexität muss heute ausgehalten und eingefordert werden!

Die Gesellschaft wartet nicht auf den Wandel etablierter Institutionen, um sich mit drängenden gesellschaftlichen Fragen auseinanderzusetzen. Zu dieser, meiner Gesellschaft gehören auch

  • Schüler*innen und Studierende, die Freitags für den Klimaschutz demonstrieren (#fridaysforfuture),
  • Gründer*innen, die neue Konzepte von Bildung entwickeln und erproben wollen (Stichworte: die Zukunftsbauer, Forderungen nach dem bedingungslose Lernguthaben),
  • Gründer*innen, die etablierte wirtschaftliche Handlungsweisen hinterfragen, wie Vertrieb, Herstellung, Zusammenarbeit mit Banken, etc. (wie bspw. Einhorn)
  • Und die vielen kleinen weiteren Ansätze …

Ich als ein Teil dieser Gesellschaft, habe den Wunsch durch diese Impulse auch meine Handlungsweisen zu reflektieren und ggf. neu zu verorten.

Der Inhalt von Moby-Dick, Roman von Herman Melville, verbindet die Hallen der re:publica 2019 miteinander
Der Inhalt von Moby-Dick, Roman von Herman Melville, verbindet die Hallen der re:publica 2019 miteinander

Daher besuchte ich dieses Jahr die re:publica mit dem Interesse zu erfahren, wie ich die unterschiedlichen Ansätze in Form verschiedener Veranstaltungs- und Austauschformate wahrnehmen würde. Im Vorfeld der re:publica 2019 wurden diese bereits kommuniziert und ich war neugierig auf die Wechselwirkung zwischen Format und Inhalt. Diese vielfältigen Ansätzen, mit denen weitere Zielgruppen für den gesellschaftlichen Austausch motiviert werden konnten und die re:publica dementsprechend öffneten, machten mich neugierig.

Die Digitalisierung, als Beschleuniger gesellschaftlicher Entwicklungen, wirkt sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche und damit auch auf Hochschulen und Wissenschaft, ein Bereich in dem ich mich bewege, aus. Damit konfrontiert uns die Digitalisierung erneut und in einem ständig wiederkehrenden Rhythmus mit der Frage nach der Gestaltung eines guten Lebens (Ariadne von Schirach: Podcast: Raubt uns die Digitalisierung den Verstand?). In diesem Sinne beeinflusst sie unsere Denkweisen und Handlungslogiken, verändert unsere gesellschaftliche und individuelle Kommunikation und wandelt unsere vertrauten Umgebungen, wie unsere Arbeits-, Lern- und Freizeitumgebungen.

Mit der Digitalisierung geht ein Wandel an Fähigkeiten, wie Kreativität, kritisches Denken, Empathie, Reflexion, interdisziplinäres Denken und Arbeiten und Kommunikation einher (in Anlehnung an den 21st Century Skills) (Fadel, Bialik, & Trilling, 2015).

Diese sind auch aktuell gesellschaftlich notwendig, so interpretiere ich jedenfalls das Motto der re:publica 2019 (#rp19) als Aufruf für mich. Das Motto, abgekürzt mit einer Buchstabenkombination, tl;dr ist die Abkürzung für „too long; didn’t read“ (zu lang nicht gelesen) und ist als Kommentar unter Texten zu finden, wenn diese als zu lang empfunden werden. Werden jedoch anderseits Verkürzungen als Parolen und Slogans missbraucht, kann damit unsere Gesellschaft und damit unser demokratisches System unverhältnismäßig beeinflusst werden. Mit Hintergrundwissen und Informationen, mit Empathie, Dialog und Solidarität kann gegen Falschinformationen und „Fake-News“ dagegengehalten werden. Auf diesen Hintergrund wollte das Motto der #rp19 sensibilisieren.

Sensibilisierung für das Annehmen von Komplexität

Durch digitale Produktionstechniken werden Benachrichtigungen und andere Inhalte grenzenlos vervielfältigt. Deswegen habe ich oft das Gefühl, dass ich regelrecht von Benachrichtigungen überschwemmt werde. Mir bleibt jedoch nur eine begrenzte Zeit des Konsumierens selbst. Meine Situation wird durch mögliche „Fake-News“, Dramatisierung und der Einsatz bewusster Aufmerksamkeitslenkung durch die Verwendung von Stimuli in den Benachrichtigungen nicht einfacher (Medienmanipulation, Desinformation und Misstrauen). Zudem kommt noch weiterhin hinzu, dass mich nicht jede Benachrichtigung gleichermaßen interessiert. Wir erleben mit der Digitalisierung aller Lebensbereiche einen umfassenden Öffnungsprozess mit dem unter anderem Komplexität und Diversität verbunden werden. Das Motto der #rp19 versuchte für eine komplexe Auseinandersetzung zu sensibilisieren und diese somit anzunehmen, als auch für eine Grundeinstellung, die auf Achtsamkeit und Nachhaltigkeit fokussiert ist, zu werben.

In der Diskussionsrunde zu „Communicating complexity in an age of noise“ fand ich sehr schön, dass Lina Srivastava (@lksriv) darauf hinwies, dass in Transformationsprozessen auch immer die gewachsenen Strukturen mitgedacht werden müssen, in denen sich die Leute mit ihrer eigenen „story“ bewegen. Zu allererst sollte man selbst die Geschichte der Entstehung der Strukturen verstehen und wie die Betroffenen diese interpretieren, bevor eine bewusste Veränderung herbeigeführt wird.

Allerdings fehlte mir in diesem Diskurs auf der re:publica der Hinweis, (den ich vielleicht auch aufgrund der Größe der Veranstaltung nicht gehört habe ;)), dass nicht alle Benachrichtigung gelesen oder wahrgenommen werden müssen. Bewusstes Aushalten von Lücken und das Zulassen von Unschärfen gehören zum digitalen Alltag, meiner Meinung nach.

Sensibilisierung für verschiedene Aspekte von Diversität

Diversität zog sich meiner Meinung nach in vielerlei Perspektiven durch die gesamte Veranstaltung der re:publica. Am deutlichsten wird Diversität bspw. durch die Teilgebenden aus 52 verschiedenen Ländern, wie auch der enormen Themenvielfalt. Die Themen begannen bei Thesen der Politikwissenschaften, den Einsatz von Internet im Roten Kreuz, New Work, das Run DMC-Logo als Meme, Gutes und Schlechtes im Essen oder die Faszination von Raumfahrt (Blogartikel: Thomas Knüwer „Indiskretion Ehrensache“, veröffentlicht am 13.05.2019). „One Size fits all“ – Lösungen können unter dem Aspekt der Diversität und Komplexität den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht mehr gerecht werden.

Vorlesewettbewerb auf der digitalen Veranstaltung (Moby-Dick)
Vorlesewettbewerb auf der digitalen Veranstaltung (Moby-Dick)

Nachfolgend sollen die einzelnen unterschiedlichen Formate kurz- und stichpunktartig, die ich auf der re:publica 2019 entdeckt habe, gesammelt werden:

Räume

  • Makerspace, als offene Werkstatt, die den Besuchern das unkomplizierte Anfertigung von hoch individualisierten Einzelstücken ermöglichte oder auch einfach sich ausprobieren wollten
  • Meet-your-Speaker-Ecke für den Austausch nach Vorträgen (Auf dem Blog von Jöran (@joeranDE) findet sich eine schöne Zusammenfassung)
  • Open Space, auf dem man spontan (wenn ein Slot frei ist) sein eigenes Programm (Inhalt, Austausch) anbieten kann
  • Konzerte
  • Lesungen (verschiedene Formate)
  • Ausstellungsfläche
  • Kunst (Moby Dick zog sich durch die Hallen)
  • Netzfest/Bürgerfestival
  • Technikmuseum (Flugtaxi wurde vorgestellt, Vorträge angeboten, E-Scooter konnten getestet werden)
  • Recruitingmesse
  • Tincon (Jugendkonferenz 13 bis 21, wir wollen Menschen zwischen 13 und 21 Jahren Mut machen, die vernetzte Gesellschaft aktiv mitzugestalten – getrieben und befeuert vom eigenen Interesse und mit Spaß. Partizipativ — wir nehmen den Begriff ernst: Jugendliche sind eng eingebunden in die Themenkuration, Programmplanung, Organisation und Redaktion und tragen auch selbst vor. Inspirierend — in Talks, Vorträgen, und Workshops diskutieren Akteure der jugendkulturellen Szene auf Augenhöhe mit Jugendlichen, teilen ihre Leidenschaft, ihr Können und Wissen oder geben einen Einblick in die Berufswelt von morgen.)
  • Büchertauschbörse
  • Barrierefreie bzw. -arme Umsetzung,

Sensibilisierung Nachhaltigkeit (Wertschätzung und Verantwortung)

  • Sensibilisierung für den Umgang mit Daten und Umwelt,
  • Urbanisierung von Städten (Mikael Colville-Andersen auf Twitter: @colvilleandersn)
  • Kommunikation: (Aufzeichnung der Session von Gunter Dueck) gegen Pointierungen, Aufmerksamkeitshascherei mit Aufklärung, und Hintergrundrecherche zur „gesellschaftlichen Aufklärung“ beitragen,
  • Wissenschaft einer breiteren Menge zugänglich machen, sie ist Teil der Gesellschaft und kann sich dementsprechend auch mehr einbringen. Wissenschaftskommunikation ist ein wichtiger Part von Wissenschaft, der aktuell zu kurz kommt. Dieser muss gesellschaftlich unterstützt und eingefordert werden.
  • Digitale Fortschritt kann zum Vorteil der Demokratie werden (ist noch nicht überzeugt) fragt nach dem Grund toxischer Debatten, Dringendste Aufgabe ist nicht die Digitalisierung der Demokratie, sondern Demokratisierung der Digitalen Welt. Populisten nehmen das kurze Wort. Demokraten argumentieren länger
  • Aufruf beginnt mit Wertschätzung und geht über zu Motivation und Eigeninitiative des Einzelnen