Führung und Bildung

Auf dem Forschungskolloquium im Januar wird das Programm diesmal durch externe Gäste gestaltet. Den ersten Vortrag gestaltet Frau Korte. Sie promovierte über die Bildungstheorie Schlegels und habilitiert heute über Pestalozzi.

Ihr Manuskript über „Führung und Bildung“ entsteht während des Vortrages prozesshaft; so kündigt sie ihren Vortrag an.

In die Thematik leitet sie daraufhin mit folgenden Thesen ein.

1. Der Führungsalltag einer Führungskraft ist unter anderem auch bildend.
2. Personalentwicklung kann als „Bildungsraum“ verstanden werden.
3. Qualitativ sozialwissenschaftliche Methoden eignen sich als Bildungsprozesse für die Adressaten.

Sie legt den Zusammenhang der zentralen Begriffe „Bildung“ und „Führung“ dar.

Bildung muss ihrer Ansicht nach von Lernen und Verhalten deutlich abgegrenzt werden.

Bildung ist ein Prozess der Selbstbezüglichkeit, der ein bestimmtes Selbstverhältnis des Menschen ausdrückt. Bildung ermöglicht eine eigene Entfaltung. (mit den Möglichkeiten, die ihm die Umwelt zur Verfügung stellt.) Dabei hängen Bildung und Wissen eng miteinander zusammen. Bildung ist zudem mit Sinnhaftigkeit verbunden. Letztlich muss Bildung immer freiwillig sein. Nach Humboldt benötigt Bildung Freiheit.

[für mich: Wissen entsteht somit unter anderem aus vernetzten und wiederholten Informationen.]

Der Begriff der Führung ist ebenfalls prozesshaft. Auch der Abteilungsleiter muss sich interaktiv mit sich selbst und seiner Umwelt auseinandersetzen. Führungskräften muss die Möglichkeit zur Selbstbildung gegeben werden. Mit Humboldt artikuliert die Referentin denselben Inhalt: „Wenn ständig etwas wankt, dann braucht man innere Zuflucht.“ Zum Führen selbst braucht der Abteilungsleiter Freiheit und Sinn, um seine Handlungen auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter abzustimmen. Mitarbeiterzufriedenheit kann durch Kommunikation, Transparenz und Informationsfluss nach der Referentin konstruiert werden, wodurch Wissen entsteht. Neues Wissen wird von den Mitarbeitern und Führungskräften erworben, die miteinander vernetzt werden könnten.

[für mich: Wissen entsteht unter anderem aus vernetzten und wiederholten Informationen.

Coaching: sich selbst entwickeln
Seminare: kollektive (hervorgegangen aus einer individuellen Vorstufe) Entwicklung]

Petra Korte verdeutlicht diese Analogie beider unterschiedlicher Begriffe Bildung und Führung. Bildung und Wissen stehen somit in einem Spannungsverhältnis.

Im zweiten Teil des Vortrages geht die Referentin auf die Frage ein. “Wie kann Führung erlernt werden?“ „Wie kann man feststellen, ob sich jemand zur Führungskraft eignet?“ „Wie kann man denjenigen fördern?“

Dabei vertritt sie die Auffassung, dass Führung mit einer hochkomplexen Rollenbildung einhergeht. Noch vor Jahren sprach man von angeborenen Fähigkeiten. Heute kann die Personalentwicklung positiv mit erlernten Fähigkeiten unterstützt werden. Die Fähigkeiten der Kommunikation und Reflexion sind dabei die Wichtigsten. Es bedarf einer Auseinandersetzung mit der Welt und mit der Frage nach der eigenen Aufgabe bzw. die des Unternehmens.

(Hinweis: Felix von Cube versteht die wichtigsten Fertigkeiten in folgenden Merkmalen (, wenn ein Team mit Teamleiter funktionieren soll, so dass alle zufrieden sind.): 1. Zugehörigkeit in Koppelung mit Bindung, 2. permanente Kommunikation, 3. optimale Positionierung (Stärken der einzelnen Teamglieder richtig einsetzen), 4. Zuverlässigkeit gepaart mit Gerechtigkeit, 5. Führung)

Aus diesem Grund schlägt die Referentin vor, Bildungsräume zu eröffnen, die sie mit Rollenspielen vergleicht. So können dort die Teilnehmer eine Führungsrolle unbeschadet erleben.
Ich hingegen glaube, dass sie die vorhandene Freiheit in Rollenspielen überschätzt. Selbst in Spielen kann man an Motivation und Selbstvertrauen verlieren, wenn die Fehler wiederholt gemacht werden oder die Anerkennung außen vor bleibt, weil der Spieler eben nicht die Situation erfolgreich zu Ende gespielt hat.
Ihr Ansatzpunkt ist in der Idee zu finden, Ressourcen für notwendige Reflexionen zu schaffen.

Selbst- und Weltreferenz im ÖSF-Blog

Letzte Woche habe ich den Versuch eines weiteren Blogs „ÖSF – Blog“ gestartet.

In meiner Promotion unterscheide ich Social Networks von Communities im Internet. Beides sind soziale Erscheinungen, die eng mit den virtuellen Möglichkeiten des Internets verwoben sind. Communities sind jedoch im Gegensatz zu Social Networks anders strukturiert. Weisen Communities hierarchische Strukturen auf, so benötigt ein Social Network weitestgehend Dezentralität. Auch die Mitglieder einer Community müssen identifizierbar sein, wenn ein gemeinschaftlicher Charakter entstehen soll. Die Teilhabe an Social Networks ist hingegen weitgehend anonym. Das Ziel von Communities liegt unter anderem darin, kollektives Wissen, mit dem sich die ganze Gemeinschaft identifizieren kann, zu erschaffen. Social Networks beruhen auf kollaboratives Zusammenarbeiten, d.h. es wird kollaboratives Wissen entworfen.

Wenn man die idealen Fälle von Community und Social Network auf einer axiomatischen ausgerichteten Linie darstellen würde, dann ist die Community der entgegen gesetzte Extremfall eines Social Networks. In der Realität (gemeint: jenseits der wissenschaftlichen Theorie) werden wir vor allem unterschiedlichste Mischformen auffinden.

Die Promotion wird in dem Fach der Erziehungswissenschaft geschrieben, das sich mit den Grundfragen von Bildung und Erziehung auseinandersetzt. Dabei ist gerade das Verhältnis der Selbst- und Weltreferenz (auch bekannt unter dem Begriff des „Subjekt-Objekt-Dualismus“; im 19. Jh. von Humboldt zusammengefasst) von Bedeutung. „Bildungstheorie beschäftigt sich mit der zentralen reflexiven Verortung des Menschen in der Welt, und zwar in einem zweifachen Sinne: zum einen hinsichtlich der Bezüge, die er zu sich selbst entwickelt (Selbstreferenz) und zum anderen hinsichtlich der Bezüge, die er auf die Welt entwickelt (Weltreferenz).“ (Marotzki 2006, 61)

Indem die Mitglieder der ÖSF sich am Blog beteiligen (was durch die dezentrale Struktur, meiner Annahme nach, erleichtert werden sollte) reflektieren sie zugleich ihre Erlebnisse und Wahrnehmungen nach außen, aber auch an die hierarchisch „übergeordneten“ Spieler. Oftmals fehlt in der Community von einzelnen Mitgliedern der Mut, Unzufriedenheit oder glückliche Momente an die Spielleiter weiter zu tragen. Oder aber, die Kommunikation ist durch falsche Führung von vornherein beschränkt. Durch Selbstreflexion, die in den einzelnen Kommentaren oder Artikel durchaus zu finden sind, setzen sie sich mit sich (als Spieler) und der Community auseinander.

Des Weiteren kann um die Gemeinschaft der ÖSF selbst ein gesellschaftliches Merkmal gespannt werden, wodurch sich die Community nicht in ihre kleine Fantasiewelt zurückzieht, sondern andere „Nicht-Mitgliedern“ auf sich aufmerksam macht (Natürlich ist der Blog nur eine von mehreren auch bereits eingesetzten Möglichkeiten.). Da der Trend im Web durch die Möglichkeiten des so genannten „Web 2.0“ eher zu gesellschaftlichen und somit übergeordneten Strukturen im Web aufruft, ist es schwer für eine Vielzahl von Communities, neue Mitglieder zu finden. Mit dem Einsatz übergeordneter Strukturen sollten diese sich nicht neuen Web Anwendungen verschließen, sondern sie erfolgreich für die eigene Gemeinschaft nutzen.
Aus den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten erwächst nicht nur das Potenzial der Gestaltung, sondern auch das Risiko der Community in der Handlungsunfähigkeit zu verharren. Langeanhaltende und zähe Diskussionen, an denen nur wenige Mitglieder innerhalb der Communities teilnehmen, weisen auf diese Unsicherheit hin. Argumente nach der Unsinnigkeit werden überwiegend bei den wenigen Kommentaren gefunden, obwohl diese Mitglieder selbst keine bis wenige Erfahrungen im Umgang mit den neuen Web-Möglichkeiten aufweisen können. Die von vornherein abwehrende Haltung könnte ein Hinweis auf diese Orientierungslosigkeit mit anschließender Handlungsunfähigkeit sein.

Meine Thesen:

These 1: Mitglieder, die sich schon jahrelang überwiegend in Communities bewegen, haben die Entwicklung neuer Web Anwendungsmöglichkeiten oft verpasst, weil sie über die Grenze der eigenen Community nicht hinausgesehen haben. Da die historische Entwicklung von Gesellschaften oftmals erst über Gruppen, die sich dann zur Gesellschaft zusammenschließen, erfolgt, haben viele Mitglieder von Communities die gesellschaftliche (Social Network) Entwicklung verpasst.

These 2: Jean Jacques Rousseau schrieb in seinem „Gesellschaftsvertrag“, dass der Mensch an einem Punkt stand, wo er sich für den endgültigen Austritt aus dem Naturzustand entschieden und eine Lebensweise gewählt hatte, die an einem Gesellschaftsvertrag gebunden war. Ab diesem Zeitpunkt, gab es für den Menschen und allen Nachfolgenden kein zurück mehr. Auf das Internet übertragen heißt das: Menschen, die das Internet für sich ab diesem „Gesellschaftsvertrag“ entdecken, bewegen sich mit dem Eintritt in die virtuelle Datenwelt, in einer Welt der vernetzten Applikationen. Sie können das „Einigeln“ einiger Communities nicht nachvollziehen oder attraktiv finden, da es sich um eine rückgängige Entwicklung handelt, auch wenn sie gemeinschaftliche Nähe verspricht.

Quelle:

Winfried Marotzki, Wie ist Orientierung angesichts veränderter Weltkonstitutionen möglich? Oder: Medienkompetenz oder Medienbildung – Lohnt sich die Kontroverse, 20.03.2004

Ulrich Beck, Risikogesellschaft – Auf dem Weg in eine andere Moderne, 1986

Medien am Pranger


An seinem 38. Geburtstag beehrt Stefan Niggemeier Leipzig mit einem Vortrag über seine Erfahrungen bei BILDblog. Erst kürzlich wurde er als Journalist des Jahres für seine Arbeit vom „Medium Magazin“, einer unabhängigen Journalisten Zeitschrift, geehrt.

Das erste Mal besuche ich die Vortragsreihe der Universität Leipzig, die von dem Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, jedes Jahr ausgetragen wird. Das „Zeitgeschichtliche Forum“ stellt freundlicher Weise ihre Räume zur Verfügung, ausgeschrieben ist diese Veranstaltung auf ihrer Homepage dennoch nicht. Nur durch Zufall hatte ich davon erfahren.

Die Frage ist berechtigt, mit der der Vortrag am heutigen Abend eingeleitet wird: „Wie verändert sich der Journalismus mit den dynamischen Netzwerktechniken im Web?

Bildblog verstehe ich jedoch nur als ein exemplarisches Beispiel, das auf Trends, Möglichkeiten, aber auch Gefahren mit den dynamischen Webinhalten hinweist.
Gleich zum Anfang weist Niggemeier auf einen deutlichen Unterschied im journalistischen Arbeiten zwischen den neuen und den klassischen Medien hin. Während ein Journalist im klassischen Medium oft eine Vielfalt an Themen abdeckt, stellt sich ein Blog einem oder nur eine eng begrenzte Anzahl von Themen, die immer wieder aktualisiert werden.

Die nächste Frage leitet den Zuhörer weiter: „Warum sollten Medien überhaupt bestraft werden?“

Zwei Aussagen werden gegenübergestellt: „If we reported it, it’s a fact.“ (Lou Dobbs) und “Wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler.” (Kai Dieckmann)

Niggemeier spricht dabei den Umgang von Journalisten mit Fehlern an. So werden leichte Fehler zugegeben, große Fehler hingegen, wo teilweise auch gerichtliche Prozesse verloren worden, finden sich heute noch auf der Homepage von Bild.
Journalisten räumen ungern Fehler ein und die Medien schreiben oftmals voneinander ab. Vergleich: Niggermeiers Blog: „Chronologie einer Falschmeldung

Das der Presserat und andere Institutionen auf den Wahrheitsgehalt der Berichterstattung und den Umgang mit Ereignissen überwachen; diese Aufgabe traut Stefan Niggemeier den Institutionen nicht zu. Er weist stattdessen andere Möglichkeiten auf.

Solidarische Abmachungen, die bisher vorwiegend in den klassischen Medien auftraten und von Sprichwörtern wie, „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ begleitet wurden, werden durch neue journalistische Webmöglichkeiten untergraben. Erfolgt eine journalistische Berichterstattung online oder gar in Blog so wird die Berichterstattung von dem Charakter gekennzeichnet, den Arianna Huffington als „obsessiv and compulsive disorder“ sind. Print und klassische Medien besitzen hingen einen „attention deficit disorder“ Charakter. (Reuters Interviews Arianna Huffington, November 2006)

Daher ist Stefan Niggemeier die Wirkung seiner Arbeit auf die Öffentlichkeit das maßstäbliche Kriterium, als auf das kritisierte Medium selbst.

Es geht ihm nicht darum, Medien an den Pranger zu stellen. Die Aufgabe von so genannten „Watchblogs“ liegt viel mehr in ihrer aufklärerischen Funktion. Ein Vergleich mit der mittelalterlichen Praktik des Prangers ist deswegen überzogen.

Trackback(s)

* 9. Januar 2008: von Daniel in Heldenstadt
* 10. Januar 2008: von longtail – Leere Signifikanten
* 10.Januar 2008: von „Mehr Googeln“: Martin Welker

Rezension: "Online Communities als soziale Systeme

Rezension: für den Waxmann Verlag

Ullrich Dittler, Michael Kindt, Christine Schwarz (Hrsg.): Online Communities als soziale Systeme. Wikis, Weblogs und Social Software im E-Learning

Ullrich Dittler, Michael Kindt, Christine Schwarz (Hrsg.): Online-Communities als soziale Systeme. Wikis, Weblogs und Social Software im E-Learning, Waxmann Verlag (Münster/New York/Berlin/München) 2007. 224 Seiten. ISBN 978-3-8309-1775-5.
Reihe: Medien in der Wissenschaft, Band 40, 24,90 €

Thema

Das Buch widmet sich der Frage: Was können Online-Communities wirklich im Zusammenhang mit Lernprozessen leisten? Diese Frage ist eine Weiterentwicklung aus dem Angebot so genannter E-Learning 1.0 Projekte, die sich in diesem Buch speziell auf die Anwendungen in der Hochschule ausrichten.

„1.0“ wird synonym mit den vergangenen Anwendungs- und Handhabungsmöglichkeiten im Web gleichgesetzt, während neuere Entwicklungen längst auf dem Markt zu verzeichnen sind. Angelehnt ist der Begriff 1.0 an dem populär verwendetem Begriff, der unter Tim O’Reilly bekannt geworden ist, dem Web 2.0. Assoziiert wird darunter die Weiterentwicklung einiger Webanwendungsmöglichkeiten, die interaktive und kollaborative Konstrukte des Internets, speziell des Webs, ermöglichen. 1.0 hingegen bezeichnet eine sehr eingeschränkte, meist nur lesende und passive Teilnahme an den Angebotsmöglichkeiten des Webs. E-Learning 1.0 Projekte gehen somit einzig vom Lehrenden aus. Durch neu entwickelte interaktive und kollaborative Arbeitsweisen versuchen die Lehrenden nun ihr Angebot passiver E-Learning Projekte um interaktive und kollaborative Eigenschaften zu erweitern und somit attraktiver für den Lernenden zu gestalten. Die Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen den Lehrenden, dem Lernenden und den Lernenden untereinander, soll mit diesem erweiterten Angebot nicht nur optimiert werden, sondern zugleich bietet diese Form der Lehre an, individueller auf den Einzelnen einzugehen und ihn in die Anforderungen unserer Gesellschaft auf spielerische Art und Weise einzuführen. Eine neue Lernkultur kann mit Hilfe von E-Learning 2.0 begründet werden, deren wesentlichen Merkmale in einer Verbesserung der Informationsnetzwerke, der Wissensweitergabe und informationeller Selbst- und Mitbestimmung zu finden sind.
Kritisch stellen sich die Autoren der unterschiedlichsten Beiträge dieser Problematik.

Aufbau und Inhalt

Mit der Überschrift „Online Communities als soziale Systeme. Wikis, Weblogs und Social Software im E-Learning“ weist das Buch seinen Leser auf seinen Inhalt hin. Hier zeichnet sich schon eine in meinen Augen unzureichende Unterscheidung ab. Kritisch betrachte ich, dass unter den Begriff der Communitiy ebenso auch Wikis und Blogs fallen. Ziel des Buches ist es E-Learning Anwendungen um die Eigenschaften, die sich aus der Social Software ergeben, zu erweitern. Mit Hilfswerkzeugen, wie Communities, Wikis, Blogs und Mailinglisten können die kollaborative Effekte gemeinsamen Arbeitens, wie Teamwork, Kooperation, Kommunikation und Selbstorganisation integriert werden. Ob die genannten Werkzeuge tatsächlich ihre Versprechungen halten können, untersuchen die einzelnen Beiträge in diesem Buch. Jeder Beitrag richtet sich dabei auf eine spezielle Anwendung, die er kritisch expliziert. Aus diesem Grund kommt es zu einem dem ganzen Buch sich durchziehenden Missverständnis, auch wenn einzelne Beiträge sich nicht mit der unzureichenden Unterscheidung auseinandersetzen. Da die Einleitung jedoch die nachfolgenden Beiträge rahmt und anordnet, zieht sich die unzureichende Unterscheidung, wie ein rotes Band durch das ganze Buch hindurch, worauf der Titel ebenso hinweist.

Ausgehend von „Online Communities als soziale Systeme“ weist das Buch auf gemeinschaftliche Eigenschaften virtueller sozialer Gruppen hin. Communities sind im Gegensatz zu Social Software Entwicklungen im Sinne des Web 2.0 gänzlich anders strukturiert. Communities sind hierarchisch angeordnet, ihre Mitglieder sind bekannt und beschränken sich auf eine übersichtliche Anzahl. Diese Mitglieder, die sich durch ihre Teilhabe an der Community einen sozialen Status erworben haben, bringen sich selbst über Pflichten und Rechte wieder in diese Community mit ein. Communities können somit deutlich durch Grenzen von anderen Webanwendungen unterschieden werden. Social Software Applikationen, wie Wikis, Blogs etc… sind durch gänzlich andere Eigenschaften geprägt. Sie ermöglichen Anonymität, Teilnahme einer unüberschaubaren Userschaft an dem System, Freiwilligkeit, Hierarchiefreiheit, Flexibilität, Öffentlichkeit und Dezentralität, um einige Begriffe aufzugreifen, die in den Beiträgen erwähnt werden. Beiden unterschiedlichen sozialen Systemen sind gemeinsame Eigenschaften eigen, die in der Kooperation, Selbstorganisation, Partizipation und Kollaboration beispielsweise zu finden sind.
Diese Unterscheidung zweier gänzlich unterschiedlicher sozialer Systeme ist in diesem Buch schwammig und ungriffig. Auffällig ist dies gleich zu Beginn der Einleitung. Ulrich Dittler, Michael Kindt und Christine Schwarz leiten das Thema mit dem ersten verwendeten Begriff der online-Gemeinschaft ein. Ohne weitere Definition wird der Begriff der online-Gemeinschaft schnell mit dem Begriff des E-Learnings verbunden. Der Begriff der Lernrevolution folgt ebenso schnell und wird mit den Schlagworten Weblog, Wiki, Social Software und Online–Community zu dem Begriff E-Learning 2.0 verschmolzen. Spätestens an dieser Stelle stellt sich mir die Frage: Warum ist der Begriff der online-Gemeinschaft auf einmal zur online-Community mutiert? Daraufhin erfolgt eine erste Definition. Eine online–Community wird als Netzwerkgemeinschaft verstanden. Wohingegen Blogs, Wikis und Social Software ebenfalls als Netzwerke definiert werden. Netzwerke, so der Rezensient entsprechen jedoch keinen Netzwerkgemeinschaften.

Drei Bereiche kennzeichnen den Aufbau dieses Buches. Die Beiträge setzen sich, wie in dem Titel schon angekündigt, mit Wikis, Weblogs und Social Software auseinander. Eingerahmt werden die Beiträge nur durch eine Einleitung von den Herausgebern, sowie einem abschließendem Interview, das die Thematik mit ihren wesentlichen Punkten nochmals wiedergibt. (Hanna Knäusel und Thomas Sporer)

Patrick Donowski, Kurt Jansson und Jakob Voß demonstrieren mit ihrem Beitrag ihr Verständnis, wie weit eine Wiki selbst in die wissenschaftliche Forschung hinein reichen kann. Sie veranschaulichen dem Leser, neben ihrem inhaltlichen Beitrag, dass sich die Vorstellung von dem, was als Wissen bezeichnet wird, mit dem Aufkommen von Wikis in Frage gestellt werden muss. Die Autoren haben einen zusammen ausgearbeiteten Wikipedia-Artikel in dem Buch veröffentlicht unter der Überschrift: „Wikipedia als offenes Wissenssystem“. Wikiarbeit verändert das Verständnis von Wissen. Sie schließen ihren Beitrag mit der Frage: Welche Auswirkungen die Wissenschaft im veränderten Umgang mit Wissen in der breiten Bevölkerung erreichen wird. Die Art der Publikation des Artikels und ihre Erscheinungsweise lässt dem Leser eine Ahnung von dem erhalten, zu was das Social Software in der Lage ist. Zugleich ist der Beitrag ein Aufruf an die Wissenschaft sich mit den Arbeitstechniken einer Wiki auseinander zusetzen und einen sinnvollen Umgang mit ihr zu erarbeiten.
Gernot Hauser stellt mit seinem „elibrary-Projekt – das freie Online – Text – Repositorium“ eine europäische online Datenbank vor, die ebenfalls Gemeinnützigkeit und Freiwilligkeit mit den individualistischen Ansprüchen einzelner Beteiligter vereint.
Alexander Warta geht mit seinem Beitrag „Wiki – Einführung in der Industrie“ der Frage nach, welche Dynamik entwickeln Wikis, wenn der Zugriff der Mitglieder auf einen Betrieb beschränkt wird. An diesem Punkt greift meine Kritik wieder an. Kann man noch von einem Wiki sprechen, wenn man nur auf den technischen Hintergrund zurückgreift, allerdings andere Eigenschaften der Wikipedia, wie freier Zugang für alle, außen vor lässt? Wartas Beispiel orientiert sich an dem Unternehmen Bosch. Er beobachtet, dass Kleingruppen besser Entscheidungen treffen können, als ein Einzelner alleine. Bei seiner Beobachtung berücksichtigt der Autor unterschiedliche Theorien von Keingruppendynamiken, wie bspw. James Surowieski und Nicola Döring. Motivationen der einzelnen Mitglieder einer Kleingruppe können dabei nach der Bedürfnispyramide von Abraham H. Maslow unterschieden werden, in intrinsische und extrinsische Motivation. Die Wiki unterliegt nach Warta somit einem ständigen Prozess, der sich nach Ergebnissen ausrichtet und die Mitglieder dann den größten Nutzen mitnehmen, wenn sie miteinander kooperieren. Abschließend fragt sich der Autor, ob dieses Modell in das System einer Hochschule übertragen werden könnte.

Der nächste Themenabschnitt wird von Weblogs bestimmt. Jan Schmidt und Florian Mayer leiten dieses Thema mit ihrem Beitrag „Wer nutzt Weblogs für kollaborative Lern- und Wissensprozesse? Ergebnis der Befragung ‚Wie ich blogge?!’ 2005“ ein. Sie nutzen die Möglichkeit der Veröffentlichung in diesem Buch ihre Ergebnisse der Befragung 2005 „Wie ich blogge?!“ vorzustellen. Im Zentrum ihrer Beobachtung stehen die sozialen Beziehungen, die sich nach ihren Aussagen, im Verlauf des regelmäßigen Bloggens erweitern und stabilisieren. Andere Autoren in diesem Buch setzen anstatt des Begriffes soziale Beziehungen den Begriff des Netzwerkes ein. Weblog basierte soziale Netzwerke bieten dem Einzelnen Sozialkapital an, das für erfolgreiche Lern- und Wissensprozesse mobilisiert werden kann. Abschließend weisen beide Autoren auf die kennzeichnenden Eigenschaften eines Weblogs hin. Authentizität und der dialogorientierte Aufbau der wechselseitigen Verweise und Kommentare bidirektionaler Kommunikation stellen ein geeignetes Instrument dar, das kollaboratives Lern- und Wissensmanagment in einer dezentralen Kommunikationsform ermöglicht und das Lernen darüber hinaus mit den eigenen Motiven verbunden werden und somit den Spaß fördern kann.
Stefanie Panke, Birgit Gaiser und Susanne Draheim greifen in „Weblogs als Lerninfrastrukturen zwischen Selbstorganisation und Didaktik“ die partizipativen Eigenschaften eines Weblogs auf. Sie betonen den positiven Trend, dass keine Kompaktlösungen mit dem Einsatz von Weblogs in die Lehre mehr angeboten werden können und sich somit eine neue Lernkultur implementieren kann. Das Ziel dieser neuen Lernkultur liegt in der Erhöhung der Partizipation bei der Inhaltsrecherche, einer besseren Verwendbarkeit von Inhalten und sowie einer effektiveren Recherche für die Lehre. Somit ermöglicht die Technik eine Herausbildung spezifischer Nutzungspraktiken. Zusammengefasst sind Entwicklungen, die eine persönliche und berufliche Professionalität und die fortlaufende Anpassung von Kompetenzen im Kontext lebenslangen Lernens ermöglicht, informelles Lernen. Wobei das informelle Lernen neben dem formellen Lernen an einer Hochschule noch anerkannt werden muss.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ wird der letzte Beitrag zu den Blogs von Christa Stocker eingeführt. Ihr Artikel ist sehr reflektiert. So stellt sie den klassischen Präsenzunterricht den Blogs gegenüber und betont dabei, dass bei aller Euphorie für die neuen Webanwendungen der Präsenzunterricht nicht abgehängt werden darf. Mit Reflexion können beide unterschiedlichen Lernkonzepte sinnvoll aneinander gekoppelt werden. Eine solche Koppelung führe zu einer neuen Qualität des Lernens mit höherem Spaßfaktor und verändert zum anderen die Rolle des Lernenden und des Lehrenden. Werden Blogs im Hochschulunterricht eingesetzt, so sind sie als Werkzeuge unter vielen zu vergleichen, die sowohl stören als auch hilfreich sein können. Weswegen sie ihren Beitrag mit einem Aufruf an die Didaktik beendet.

Im nun folgenden Abschnitt zum Social Network werden bisheriger Erkenntnisse wiederholt zusammengefasst. Blogs und Wikis sind dabei nur zwei Formen von Social Network. Daher ist der Artikel „Freiraum Hypertext? Sind nicht-intendierte Prozesse in institutionellen, didaktisierten Rahmen möglich?“ von Martin Gasteiner und Jakob Krameritsch ein allgemein gehaltene und sehr gute Einführung in den Oberbegriff „Social Network“. Der Hypertext bildet das Werkzeug von Social Network, die so genannte Social Software. In Form einer Erzählung wird der Artikel eingeleitet, indem die traditionelle Kaffeekultur der Wiener mit dem „Frei“Raum Hypertext verglichen wird. Beides sind Orte, wo sich Menschen mit ihren Ideen begegnen und durch den Ideenaustausch offene Gespräche entstehen, die wiederum zu neuen Ideen anstoßen. Der Text streift an einem exemplarischen Beispiel, die Frage nach dem Potenzial von Hypertext, vor dem Hintergrund gegenwärtiger Hochschulreformen. Im Rahmen eines eigenen Projektes entdecken die Autoren typische Merkmale des Hypertextes, die Zusammenarbeit mit mehreren Personen ermöglicht. Sie geben jedoch gleichzeitig auch eine Warnung heraus, da der Hypertext auch Gefahren enthält. Als Werkzeug kommt es auf den Einsatz dessen an.
Jörg Marschall zeigt in seinem Beitrag „Online-Communities of Commerce. Die soziale Struktur von ebay-Marktplätzen“ Communitiestrukturen in ebay auf. Ebay ist ebenfalls nur eine Erscheinung von Social Network. Anhand der Handelsbeziehungen zwischen den Teilnehmern, analysiert Marschall die Qualität sozialer Beziehungen in Netzwerken ausgewählter Themenfelder. Diesem Beitrag wäre eine Unterscheidung von Communities und Social Networks hilfreich gewesen. So empfinde ich, dass ein Teil des Potenzials des Artikels verloren geht. Marshall betrachtet Netzwerke in ebay. Ebay ist im klassischen Sinne jedoch keine Community, selbst wenn sie sich selbst als Gemeinschaft bezeichnet, sondern entspricht einem Social Software System, das ihren Usern ermöglicht auf eine Infrastruktur zurückzugreifen, um Artikel zu verkaufen bzw. zu kaufen. Eine Community, so definierte ich eingangs, ist ein geschlossenes System, wo die Mitglieder sich gegenseitig kennen. Es ist unmöglich für den ebay-Benutzer alle anderen User zu kennen, die sich ebenfalls dem zugrunde liegenden ebay Software System bedienen. Zudem kann man sogar als Gast, als nicht eingeloggter User, die Transaktionen und Angebote betrachten. Natürlich entspricht diese Offenheit der Dynamik eines Marktes, der seine Angebote an eine große Kundschaft bringen will. Eine Community ist der Markt deswegen nicht. Jedoch kann sich zwischen einzelnen Mitgliedern eine Community mit sichtbaren Grenzen herausbilden. Hierbei handelt es sich um User, die ihre Grenzziehung im Themenfeld gestaltet haben. So definiert der Autor die Grenze in mehreren aneinander gekoppelten Handelsbeziehungen einiger ebayer. Zurecht weist Marschall in seiner Teilüberschrift darauf hin, dass die „Community of Commerce als ‚harter Kern eines Marktes’“ bezeichnet werden kann. Diese Mitglieder teilen gemeinsame Werte, die über das rein Geschäftliche hinausweisen. Bemerkenswert finde ich in diesem Beitrag zudem seinen methodischen Ansatz, wo er den ebay-User von dem ebay-Mitglied (der speziellen Community) methodisch voneinander trennt.
Besonders herausragend in Beziehung zum Thema des Buches, finde ich Barbara Wenningers Artikel „Die Professional Community als sozio-virtuelles System – ein Ausbildungskonzept für Lehrerinnen und Lehrer“. Sie versteht eine Community als selbstreflexives Netzwerk und somit als Ort des Erfahrungsaustausches, beispielsweise über fachspezifische Themen oder Forschungserkenntnisse. An einem direkten Beispiel verdeutlicht sie ihre theoretischen Hintergründe. Studierende, Lehrer, Praktiker, Forscher und Experten sind Mitglieder einer Community, die konsequent als Ort des Erfahrungsaustausches genutzt werden soll. Eine gemeinsame Reflexion ist das Ziel dieser Community. Eine Community, so kommt in ihren Ausarbeitungen deutlich hervor ist immer auch zugleich ein soziales Netzwerk. Die virtuelle Gruppe wird als Ort des Lernens definiert, in Anlehnung an John Dewey und George Herbert Mead. Informationen, Wissen, Fragen, etc.. werden von außen von den einzelnen Mitgliedern in die Community hineingetragen. Das Wissen, das daraufhin durch Selbstreflexion in einer Gruppe entsteht, wirkt sich wiederum auf die Entwicklung von Mitgliedern und der Herausbildung der Identität der Mitglieder aus. Mitglieder sind hierbei als Individuen zu betrachten.
Mit dem Beitrag „Schreiben und Lesen in (fachlichen) Mailinglisten – Sozialisation für eine neue akademische Kultur?“ betrachtetet Anne Thillosen die Kommunikationseigenschaften einer Emailliste. Immer wieder fragt sie sich dabei, in welcher Form die Empfänger dazu ermutigt werden, sich inhaltlich an diesem Emailliste zu beteiligen. Die Empfänger in diesen Emaillisten sind sehr heterogen und werden einzig durch ein sie alle interessierendes Thema verbunden. Sie geht in ihrem Beitrag explizit auf die Eigenschaften einer Emailkommunikation ein, wie sie in solchen Gruppen vorzufinden sind. Dabei leitet sie diese Eigenschaften aus der Entstehungsgeschichte der Email ab, indem sie nach der linguistischen Perspektive einer Emailkommunikation fragt. Zur Beantwortung der Frage stellt sie eine qualitativ-empirische Untersuchung vor, bei der alle seit 2004 über eine Mailingliste verteilten Beiträge analysiert werden.
Abschließend zum Thema Social Network wird der Bogen auf heterogene Organisationsformen, die technologie-gestütztes Lernen als lebenslanges Lernen erkennt haben, gespannt. Im Zentrum der Autorengruppe Marco Kalz, Marcus Specht, Ralf Klamma, Mohammed Amine Chatti und Rob Koper mit ihrem Artikel „Kompetenzentwicklung in Lernnetzwerken für das lebenslange Lernen“ stehen die vielfältigsten Applikationen von Social Software. Sie weisen nochmals, wie in der Einleitung bereits geschehen, darauf hin, dass herkömmliche E-Learning-Systeme in ihren Möglichkeiten zu lehren beschränkt sind. Konzentrieren sie sich doch mehr auf die Verwaltung von Lernenden, anstatt als Anregungen zum eigenaktiven und kommunikationsfördernden Problemlösen verstanden zu werden. Erst ein Austausch, in einem organisierten Raum, von individuellen Wissen und individuellen Kompetenzen, das zu einer gemeinsamen Reflexion führt, kann sich das Mitglied weiterentwickeln.

Zusammenfassung

Interessant ist bei der Konfrontation von Hochschule und Social Software, dass zwei gänzlich unterschiedlich strukturierte Sozialfelder aufeinander prallen. Während die Hochschule hierarchisch und institutionalisiert ausgerichtet ist, wo die Kommunikationsform sich darin äußert, dass einer zu vielen spricht, so weist das Social Web ganz andere, oft entgegen gesetzte Merkmale auf. Im Social Web bewegt sich der User oft anonym und freiwillig. Hierarchiefreiheit, Selbstorganisation, Partizipation, Kooperation, Kollaboration und Dezentralisation sind nur einige andere Merkmale. Die Kommunikation kann im Social Web weitestgehend offen gestaltet werden. An dem Kommunikationsprozess kann die ganze Gruppe gleichberechtigt teilnehmen.

Fazit

Ungeachtet meiner Kritik ist es ein empfehlenswertes Buch, das vor allem die wesentlichsten Merkmale von Social Web Anwendungen aufgreift, diese kritisch und ausführlich in einem möglichen Einsatz im Hochschulunterricht betrachtet. Sehr schöne Anregungen bieten viele der einzelnen Beiträge.