EduCamp – vom Aufspüren der Brüche

Stimmungsbild:

Im strahlenden Sonnenschein, jedoch fernab gut zugänglicher Infrastruktur (damit sich, wer sich auf den Campus verirren sollte, nicht so leicht davon laufen konnte ;)) wurde dieses Jahr das 10. EduCamp in seiner Geburtsstadt Ilmenau ausgetragen. Das Motto hieß „back to the roots – into the learning future!“ und ich fand diesen Ansatz der Dreiteilung „gründen.lernen.wissen“ sehr interessant und ambitioniert (bei Twitter zu finden unter: #glw12 / Webpräsenz).

  1.      Im VC-Campus trafen Investoren und Gründer zusammen,
  2.      bei dem EduCamp handelt es sich um eine Mitmachkonferenz zum Thema Bildung (barcamp) und 
  3. das Yerk ist ein Kolloquium für Nachwuchswissenschaftler im Bereich Entrepreneurship.
Dieser Rollenwechsel / -tausch war für mich an diesen Tagen symptomatisch. Mit einer der letzten Sessions des EduCamps in Köln (auf Twitter zu finden unter: #ecco12) begann quasi meine Reise zu dem EduCamp in Ilmenau (auf Twitter zu finden unter: #ecil12). In dieser Session auf dem #ecco12 diskutierten die Teilgebenden über „Identität 2.0“ (Dokumentation im Piratenpad) So war ich unterwegs als:
  1.       Gründerin: geosurfen
  2.      „Alt“ – EduCamperin
  3.      Vereinsmitglied des EduCamp e.V.
  4.      Mitarbeiterin des Landesfilmdienst Sachsen e.V.
  5.      habe die Betreuung so gut es ging, von zwei Erstbesuchern übernommen
  6.      und wer weiß, was noch für Rollen ….
Es war nicht immer leicht, zwischen diesen Rollen zu wechseln. Als „Alt“ Educamperin und Vereinsmitglied wollte ich beispielsweise die Begeisterung und Leichtigkeit eines barcamps bei den „Erstis“ vermitteln. Manchmal gelang mir genau das jedoch nicht, da ich mich selbst in Diskussionen befand, die von EduCampern, welche bereits tief in einen Diskurs zur Ausgestaltung eines barcamps vorgedrungen waren, geführt wurden. Dann musste ich auch gegenüber den „Erstis“ die wahrgenommen, scheinbar aggressiven und auf jeden Fall emotionalen Stimmungen auf der Twitterwall erklären oder zurecht rücken.

Lutz Berger benannte diese auch von ihm eigens wahrgenommene Beobachtung, treffend als Brüche.

Vorbild an diesen Tagen für mich waren die Organisatoren und Helferlein des EduCamps in Ilmenau. Jederzeit reagierten sie auch Nachfragen freundlich und zeigten sich ansprechbereit. Auch für einen kleinen Plausch zwischendurch konnten sie immer wieder mal gewonnen werden.

Weiter geht es mit den Brüchen …

Was bedeutet es ein barcamp umzusetzen?

„Barcamps werden von Enthusiasten für Enthusiasten organisiert, die in einer offenen Umgebung lernen und Wissen weitergeben möchten. Es sind sehr intensive und anstrengende Veranstaltungen, alleine schon durch die Menge an Informationen die zu bewältigen ist.“ (franztoo – next generation anything: „Was ist eigentlich ein BarCamp„; 13.02.2007, by Franz Patzig,)

Die Teilnehmer strukturieren ein BarCamp mit ihren Inhalten und werden aufgrund dessen zu Teilgebern. Die Organisatoren eines BarCamps versuchen den Rahmen eines solchen Treffens zu gestalten. Gewöhnlich wurden die vergangenen EduCamps vorwiegend von Sponsoren unterstützt, das beinhaltet das zur Verfügung stellen von Räumen, Internetzugang, Mahlzeiten etc.

In diesem Zusammenhang finde ich die Regeln, die Guido in seinem Blog in die Diskussion gebracht hat, spannend:

  1. Reduziertes Drumherum. Es geht ja nur um mich und die Anderen. Komplexe Konzepte sind überflüssig. Dazu gehört auch die verwirrte Idee, das Format weiterentwickeln zu wollen. Ein Barcamp ist ein Barcamp. Die Regeln hat Felix (Link) noch einmal ins Gedächtnis gerufen.
  2. Keine thematischen Vorgaben. Die Vergabe eines Mottos bei einem Educamp ist überflüssig, es ist meist eh nicht mehr als eine leere Hülse, denn niemand will mehr einschränken, als es ein Educamp eh schon tut.
  3. Jeder Einzelne ist für das Gelingen der Veranstaltung zuständig. Meiner Meinung nach ist das Orgateam für Bereitstellung des Rahmens zuständig. Der Rahmen ist nichts anderes, als die Zeit und der Ort. Es hat sich eingebürgert mit Hilfe von Sponsoren auch noch Essen und Getränke bereit zu stellen. Das müßte aber nicht sein.
  4. Wer nicht da ist, kann auch nicht mitmachen. Klingt logisch, ist es aber nicht. Twitter, zunehmend auch Google Hangout, haben dazu geführt, das die f2f Veranstaltungen durchlässiger geworden sind und vorgaukeln, es gäbe einen Rahmen zur Partizipation von aussen. Den kann es aber nur für die Anwesenden geben, siehe Punkt 4. Tweets sind vor allem für die Teilnehmenden selbst relevant. Es sind Gesprächsanlässe.
  5. Wenn ich’s nicht mache, macht’s keiner. Wenn mir etwas nicht passt oder mir etwas fehlt, muss ich dafür sorgen, es zu ändern. Das Barcamp, und das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen des Formats, zwingt zur Übernahme der Verantwortung für den eigenen Lernprozess. Wer zu Hause vor Twitter sitzt, macht sich nur den Mund wässrig. Selbst wenn man Verantwortung für seinen Lernprozess übernehmen will, kann man das vor dem heimischen Bildschirm nur begrenzt tun, weil man auf die Hilfe der Anderen vor Ort angewiesen ist. Schnell wird da aus Beteiligung meckern.
  6. Nicht nur Antworten geben, sondern auch Fragen stellen. Wer also wissen will, wie ein Barcamp organisiert wird oder warum auf Veranstaltungen mehr gemeckert als gewertschätzt wird, kann auch dazu eine Session anbieten. Also weniger meckern und mehr fragen.
  7. Ergebnisse gibt es genauso wenig wie Lernziele. Der Konstruktivismus geht davon aus, dass nur dann gelernt wird, wenn es in die eigenen Konstrukte passt. Frei nach einer alten Heimwerkerregel möchte ich ergänzen: Und was nicht passt wird passend gemacht. Deshalb finde ich die Dokumentation in Etherpads auf einem Barcamp zwar gut, aber die anschließenden Blogbeiträge deutlich gehaltvoller. Sie erzählen von der Einpassung und weniger von gemeinsam getragenen Ergebnissen.
Allerdings warum sollte sich ein Format nicht innerhalb seiner Grenzen verändern dürfen? Warum und ab wann wird ein Format mit einigen Regeln, Verhaltenskodexen etc. belegt?

Regeln – und Verhaltenskodexe sind die Grundlage auf der sich soziale Kommunikation / Interaktion bewegen sollten. Die Regeln eines BarCamps wurden bereits 2007 von Franz Patzig vorgestellt und sind mittlerweile die Ausgangsbasis eines jeden BarCamps, egal, ob es sich dabei um ein thematisches oder allgemeines BarCamp handelt. Da sich Gesellschaft glücklicherweise mit der Zeit verändert, werden Diskussionanstösse zu Weiterentwicklungen der einstigen Regeln und Verhaltenskodexe angestoßen.

Dazu zähle ich auch das Format eines BarCamps. Vielleicht ist der Begriff der „Weiterentwicklung“ an dieser Stelle nicht der beste Begriff. Über Twitter werden mir gerade Tweet, wie von @thbernhard angezeigt:

„RT @hirnrinde Jedesmal, wenn jemand „BarCamp-Format“ und „weiterentwickeln“ in einem Satz sagt, stirbt irgendwo ein Kätzchen. #ecil12″

Die Frage ist dann tatsächlich, ob wir noch von einem BarCamp sprechen können oder dem einen anderen Namen geben müssen.

Tatsächlich werden in der Diskussion neue mögliche inhaltliche Ausgestaltungen formuliert.

  • Soll es Sponsoren geben? Wenn ja, wie ist deren Einfluss?
  • Kann ein BarCamp allein mit Spenden oder crowdfunding umgesetzt werden?
  • Sollen sich auf einem BarCamp nur Erwachsene bewegen dürfen (wegen der medialen Dokumentation)?
  • etc…
Als Bsp.:

Unser Verständnis von Schule entspricht heute auch nicht mehr den Vorstellungen des 18. Jahrhunderts. Der Rahmen und die Inhalte haben sich über die Jahrhunderte geändert. Dennoch reden wir heute immer noch von Schule. Zu viele unnötige Begrifflichkeiten können vielleicht besser auf den Inhalt und den Veränderungsprozess des Begriffs verweisen, aber auch unnötig vom eigentlichen Inhalt ablenken. Unser Vorstellung einer Schule im 21. Jh. ist auch dem dargestellten Bild des 18. Jh. längst gewichen.

Vielleicht hat auch jeder ein anderes Verständnis von einem BarCamp und auch das finde ich zulassungswürdig und total spannend, denn nur dadurch entstehen Experimente und Veränderungen, bzw. Anpassungen an aktuelle Bedürfnisse.

Ein Austausch, wie ich ihn mir wünsche ist von respektvollem Umgang und einer aktiven Wahrnehmung anderer Emotions- und Bedürfnislagen gekennzeichnet. Vielleicht ist das barcamp-Format mittlerweile schon so etabliert in einigen Kreisen, dass sich auch hier verschiedene Gruppen heraus kristallisieren, wie bspw. die Traditionalisten. Einige andere versuchen radikaler zu werden und das Konzept mit seinen Grundwerten zu verstärken, wie bspw. Birgit Rydlewski  in ihrem Blog die Gedanken um ein freies Format verstärkt herausbilden will: „Educamp. Und weiter?

Meines Erachtens ist es wichtig, dass die verschiedenen Bedürfnisse weiterhin miteinander im Gespräch bleiben, die Leistungen des Gegenüber anerkennen und den Diskurs aktiv suchen.

Ich selbst war in einer meiner vielen fluiden Teilidentitäten (Giddens, 2002) als Gründerin von geosurfen unterwegs und hatte mir bis dahin gedacht, in naher Zukunft etwas an die Community zurückzugeben, in denen ich mithelfe, dass so ein EduCamp umgesetzt werden kann. Immerhin hat mich die Community bisher schon mehrere Jahre „ertragen“ ;). Weiterhin finde ich den Gedanken spannend, einen Teil unseres Adventures dem Bildungsbereich kostenlos zukommen zu lassen, um Lernstoff spielerisch und informell vermitteln zu können. In Gesprächen mit dieser Zielgruppe auf dem EduCamp hätte ich speziell nach deren Bedürfnissen gefragt und diskutiert. Allerdings wäre wohl einer der Effekte, dass das Adventure über den Unterricht hinaus angewendet werden könnte und die Schüler_innen früher oder später zu Kunden werden. Mit der Diskussion im Hintergrund, dass sich geosurfen an der EduCamp Community bereichern will, halte ich diese Idee nicht mehr für sinnvoll. Allerdings finde ich aus der Medienbildungs-Perspektive diese Chance sehr reizvoll ….

Weiterhin schrecken wir mit destruktiven Diskussionen tatsächlich bereitwillige Spender_innen ab.

11 Kommentare zu “EduCamp – vom Aufspüren der Brüche

  1. You could definitely see your enthusiasm in the paintings you write. The arena hopes for more passionate writers like you who aren’t afraid to say how they believe. At all times follow your heart. „Experience is a good school, but the fees are high.“ by Heinrich Heine.

  2. Es ist angenehm zu lesen, wie du mit dir selbst redest :-). Ich denke es ist hilfreich und nötig enge Formate weiterzuentwickeln. Aber beim Barcamp handelt es sich schon um ein so offenes Format. Das eine Weiterentwicklung ebenso schwierig ist, wie Freiheit weiterzuentwickeln.

  3. Ich glaube mittlerweile tatsächlich, dass der Begriff der Weiterentwicklung an dieser Stelle nicht ganz passend ist. Wir reden ja eher um Ausgestaltung und Inhalte … nur wie ist der Oberbegriff dafür?

  4. @artmutk 25.10.2012 um 08.55 früh#

    Warum müssen wir eigentlich ständig über das Format diskutieren und über die Art wie das Format finanziert wird? Da sollte doch jedes Camp die freie Wahl haben. Die gesammelten Erfahrungen werden eingebracht und wer es anders machen will sollte es anders probieren. Man sollte nur mit dem „erwirtschafteten“. finazen verantwortungsvoll umgehen
    Entscheidend sind für mich die Inhalte die in einem Camp andiskutiert oder präsentiert werden.
    Es darf zu keiner inhaltlichen Stagnation des Camps kommen oder zu einem „Treten auf der Stelle“. Dann verlieren die „treuen Teilnehmer“ vielleicht die Lust sich als Teilgeber zu engagieren.
    Interessant wäre auch wenn die Erprobungen der Inhalte der Sessions von Teilgebern durch Teilnehmer im nächsten Camp präsentiert würden. Erfahrungen und eventuelle Ergebnisse des Umgangs mit dem aufgenommenen Wissen durch Andere wäre fördernd.

  5. Die Inhalte sind meiner Meinung nach auch wichtiger. Ich finde es sogar spannend, wenn verschiedene Organisatoren dem Camp ihren eigenen „Spirit“ mitgeben 🙂

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