Interaktionen in Lernprozesse

In den letzten Wochen habe ich mich mit der Frage „Wie können Interaktionen während eines Lernprozesses gestaltet werden?“ auseinandergesetzt.

Auf Instagram hatte ich einen ersten Gedankenaustausch gestartet, hier im Blog folgt nun eine vorläufige Zusammenfassung dieser Gedanken. Dazu starte ich mit meiner Motivation, beruhend auf vielen Beobachtungen, die mich auch emotional erreicht haben. Auch der Austausch in den verschiedenen Social Media Kanälen hat seine Impulse hinterlassen. Strukturiert habe ich den Blogbeitrag folgendermaßen:

  1. Meine Gedanken zum schnellen Wandel von Präsenz- zum Fernlehrunterricht, bedingt durch Corona
  2. Daraus resultierender Micro-Ansatz zur Frage „Wie können Interaktionen während eines Lernprozesses gestaltet werden?“
  3. Impulse, die meine Gedanken beeinflusst haben

Um diesen Blogbeitrag nicht noch länger zu gestalten, möchte ich in den nächsten Wochen anhand einzelner Beispiel die theoretisch verankerten Gedanken anschaulich darstellen.

Instagram-Story

1. Meine Gedanken zum schnellen Wandel von Präsenz- zum Fernlehrunterricht, bedingt durch Corona

Emotional verlaufen die von mir beobachteten Diskussionen über den abrupten Übergang vom Präsenz in den Onlineunterricht. Emotional meiner Meinung nach, weil dieser Umbruch einmal zusätzlich mit einer Krisenzeit einher kommt und emotional, weil viele Menschen nur ungern aus gewohnten Strukturen ausbrechen wollen.

Da die Berücksichtigung digitaler Formate in der Lehre schon seit Jahren(zehnten) gefordert wird, existieren nicht wenige, die damit Erfahrungen gesammelt haben. Dennoch würde ich dafür plädieren, nicht zu vergessen, dass in diesem Zeitraum auch viel ausprobiert und über Trial und Error gelernt wurde. Daher kann ich die Kritik an der Übertragung analoger Strukturen in die digitale Umgebung, die aktuell auf die Schnelle in Folge von Corona umgesetzt wurden, verstehen. Dennoch finde ich die Art und Weise der vorgetragenen Kritik an einigen Stellen unangemessen scharf. Sie wirkt auf mich nicht motivierend.

Nach einigem Austausch mit Lehrern und Eltern in den letzten Wochen, finde ich den Kraftaufwand, der von verschiedenen Seiten vollbracht wird, beeindruckend und ich glaube das das Wohl der Schüler*innen bei Allen ganz oben steht, auch wenn vielleicht verschiedene Personen, dies unterschiedlich interpretieren.

  • Der Einen ist vielleicht wichtig, den Schulstoff durchzubringen, weil in ihrer Vorstellung, sie ihren Schüler*innen so am besten durch den aktuell ungewöhnlichen Schulalltag bringt. Der Schulplan gibt Struktur für Lehrer*innen und Schüler*innen in einer gerade so chaotischen und unbestimmten Welt vor.
  • Der Andere denkt bereits darüber nach, wie die Sommerferien genutzt werden können, wie grundsätzlich neue Strukturen des Lernens an der Schule etabliert werden können, die zudem den Schüler*innen mehr Mitbestimmung und die Förderung weiterer Kompetenzen ermöglicht. Um diese Struktur zu etablieren mobilisiert er jetzt schon das Kollegium und holt sich externe Impulse von unterschiedlichen Seiten hinzu.
  • Dann gibt es da die Lehrerin, die jeden Tag ab spätestens ab acht Uhr Morgens bis spät Abends 10 Uhr vor dem Computer sitzt, um ihre Schüler*innen zu erreichen und für diese ansprechbar zu sein. Ihrem Kind geht es ähnlich und das nimmt sie emotional sehr mit. Sie fragt sich, was das mit ihrem Kind macht, wenn sie den ganzen Tag vor dem Rechner sitzt.
  • Eine Schulkoordinatorin versucht noch in den letzten Wochen bis zu den Sommerferien den Schüler*innen einen gemeinsamen Kick-Off für den Schultag zu ermöglichen, um wenigstens einmal ein Gefühl von sozialer Nähe anzubieten.
  • Ein Vater macht sich Sorgen um seinen Sohn, weil sich dieser aus Angst weigert, das Haus zu verlassen. Wenn dann der Klassenlehrer auch noch eine Aufgabe aufgibt, bei der der Sohn vor die Haustür muss, sei es auch nur kurz für einen Foto-Spaziergang oder einem Spaziergang, bei dem Steine zum Bemalen eingesammelt werden sollen, dann steht er vor einem riesigen Problem. Weiterhin macht er sich Gedanken, was passiert, wenn die Sommerferien kommen und die Schule aus dem Alltag verschwunden ist.
  • Und derer gibt es noch so viel mehr Perspektiven und Berichte …

2. Daraus resultierender Micro-Ansatz zur Frage „Wie können Interaktionen während eines Lernprozesses gestaltet werden?“

Diese von mir oben beschriebenen Beobachtungen und die Diskussion bei und mit Anja C. Wagner um asynchrone und synchrone Kommunikationsformate in Bildungsprozessen, haben mich motiviert, mich mit den verschiedenen Phasen in der Strukturierung von Lernprozessen auseinander zusetzen.

Ich habe vier verschiedene Kriterien (vgl. Abbildung) formuliert, mit denen ich für mich selbst die Strukturen innerhalb von Lernprozessen erkunden wollte:

Abb.: zu berücksichtigende Merkmale in der Gestaltung von Lernprozessen

Settings:

Grob hab ich Lernprozesse in sechs Phasen unterteilt, dabei war mir eine Unterteilung in Verbform wichtig. Ich glaube, dass diese Unterteilung als Orientierung dienen kann, wenn Lernen (egal ob jetzt selbstorganisiert oder als Lehrstruktur von der Bildungseinrichtung vorgegeben) angestrebt wird. Des Weiteren finde ich die Idee sehr charmant, Lernen in verschiedenen (Micro)-Phasen aufzuteilen, da diese dann unterschiedlich zusammengesetzt und wiederholt werden können. Auch die Länge kann variieren. So kann die Struktur bspw. als Orientierung für ein ganzes Schuljahr dienen, als auch für einen vier Stunden-Kurs, bzw. für einen Selbstlernkurs berücksichtigt werden.

1 Entering: In dieser Phase steht das Kennenlernen der anderen Beteiligten, wie bspw. Lehrende, Lernende, Experten, Praktiker*innen, etc., im Vordergrund. Diese Phase des Lernens würde ich daher als sozial geprägt definieren.

2 Developing the organisational structure: Diese Phase wird als Orientierung des organisatorischen Ablaufs genutzt und kann bspw. von folgenden organisatorischen Fragen begleitet werden: Welche Infrastrukturen werden zur Verfügung gestellt? Welchen Einfluss hat die Zeit auf den Lernprozess? Sind bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Meilensteine zu erreichen? Habe ich weitere Verpflichtungen außerhalb des Lernprozesses, die berücksichtigt werden sollten? Wie wird der Kommunikations- und Austauschprozess zwischen den verschiedenen Beteiligten gestaltet?

3 Elaborating the content: In dieser Phase findet die Auseinandersetzung mit dem Inhalt statt.

4 Presenting: Nachdem der Inhalt aufgearbeitet wurde, folgt die Phase der Darstellung des Inhalts. Anderen Beteiligten wird der eigene Gedankengang, ein Ergebnis oder ein Produkt, etc. der eigens erarbeiteten Gegenstandes vorgestellt und Feedback diesbezüglich eingeholt bzw. wenn mehrere zusammen einen Inhalt erschließen wollen, die ersten Ergebnisse sich gegenseitig präsentiert.

5 Improving: Mit dem Feedback und den erhaltenen Impulsen aus der vorherigen Phase, kann das Ergebnis der Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand verfeinert und angepasst werden.

6 Reviewing: Die überarbeiten Inhalte zum Lerngegenstand werden wiederum vorgestellt und im besten Fall in einen konstruktiv kritischen Dialog integriert.

Communication types:

Es existieren verschiedene Formen der Kommunikation. Oft ist unser Kommunikationsverhalten an persönliche Vorlieben oder etablierten Mustern gebunden. Ich möchte mich in meiner Betrachtung auf zwei Kommunikationsformen beschränken. Kommunikation ist in Lernprozessen essentiell, weil Interaktionen Feedbackprozesse  und einen gemeinschaftlichen Konsens ermöglichen.

  • Synchron: Synchrone Kommunikation ist dadurch gekennzeichnet, dass sie in Echtzeit zwischen den Teilnehmenden stattfindet.
  • Asynchron: Asynchrone Kommunikation findet zeitlich versetzt statt.

Types of interactions:

In dieser Kategorie werden die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit berücksichtigt.

  • Individual: Es findet keine konkrete Zusammenarbeit mit anderen statt.
  • Partizipative: Eine Aufgabe wird in unterschiedliche Teilaufgaben gegliedert, für die jeweils unterschiedliche Zuständigkeiten der Bearbeitung festgelegt werden.
  • Collaborative: Die Beteiligten arbeiten zusammen an einer Aufgabe ohne feste Grenzen, bspw. in Form von Teilaufgaben, festzulegen. Die Teilnehmenden beteiligen sich aufgrund ihrer Ressourcen und Interessen an dem Lernprozess.

Expression of self-efficacy:

Mit dem Ausdruck „Expression of self-efficacy“ verbinde ich den Aspekt, die eigene Selbstwirksamkeit zu fördern und damit das Vertrauen in sich selbst zu stärken, um eine Handlung erfolgreich ausführen zu können. Selbstwirksamkeit ist daher eng mit dem Begriff des Selbstbewusstseins verbunden. Eine hohe Ausprägung an Selbstwirksamkeit äußert sich darin, dass Lernende an ihre eigenen Kompetenzen glauben. Ist hingegen die Selbstwirksamkeit der Lernenden gering ausgeprägt, so glauben diese, dass äußere Strukturen (Schicksal, andere Menschen etc.) ihre Handlungen bestimmen.

3. Impulse, die meine Gedanken beeinflusst haben

Die Formulierung der vier verschiedenen Kriterien orientieren sich u.a. an:Der Transactional Distance Theory (TD) von Moore (1993): Moore’s Motivation bestand darin ein Model anzubieten, mit dem die Herausforderung der physischen Trennung begegnet werden kann. Er definiert daraufhin drei Schlüsselkomponenten, die im Kontext einer erfolgreichen Fernlehre berücksichtigt werden sollten: die Struktur des Lehrprogramms, den Dialog zwischen den Lernenden und den Lehrenden, als auch den Lehrenden und Lernenden untereinander und Autonomie der Lernenden.

Einfach ausgedrückt, je weniger Lehrende direkt mit Lernenden interagieren, desto mehr Autonomie ist den Lernenden zuzugestehen und desto strukturierter sollte das Curriculum sein.

Die Formulierung der Selbstwirksamkeit orientiert sich an Alberto Bandura (1993).